Dienstag, 31. Juli 2018

Eine kleine Geschichte des Cyberpunk Genres



Ich hatte es gewiss schon öfter mal erwähnt, aber seitdem mir irgendwann 1997, oder 1998 rum, ein Schulkollege damals das Blade Runner Videospiel von Westwood geliehen hat, bin ich ein Fan des Cyberpunk Genres und nachdem ich mich in letzter Zeit wieder verstärkt in diesem aufhalte (ich habe Urlaub, da kommt man endlich mal wieder zum lesen), dachte ich mir, ich könnte doch mal einen kleinen Überblick über dieses Genre verschaffen.

Auch wenn der Name es nahelegen würde, hat Cyberpunk erstmal herzlich wenig mit der Punk-Subkultur zu tun.
Das Genre hat seine Wurzeln hingegen in der New Wave Science Fiction der 1960er und 70er Jahre, die geprägt war von einem deutlich pessimistischeren Bild auf die Zukunft, als noch die Science Fiction zuvor und die sich deutlich mehr mit existentiellen Fragen beschäftigte, sowie auch die modernisierte Technik kritischer betrachtete.
Dieses Gerne war wiederum selbst beeinflusst von dystopischen Werken wie z.B. George Orwell's "1984", oder Aldous Huxley's "Schöne neue Welt", weswegen man dieses neue Science Fiction häufig auch unter dem Oberbegriff "Dark Future" zusammenfasst.
Bedeutende Autoren waren dabei u.a. J. G. Ballard, Harlan Ellison und vor allem Philip K. Dick.

Von letzterem stammen mehrere bedeutende Werke, die heutzutage als Proto-Cyberpunk gelten, wie z.B. Der Minderheiten-Bericht (The Minority Report) (1956), Erinnerungen en gros (We can remember it for you wholesale) (1966), Träumen Androiden von elektrischen Schafen? (Do androids dream of electric sheep?) (1968), oder auch Der dunkle Schirm (A scanner darkly) (1977).

Alle Werke erhielten dabei Verfilmungen, die dann jeweils als tatsächliche Werke des Cyberpunk gelten. Dabei erhielten die Romane jedoch z.T. andere Titel:
"Erinnerungen en gros" wurde als "Total Recall" verfilmt
"Träumen Androiden von elektrischen Schafen?" wurde als "Blade Runner" verfilmt.

Der Begriff "Cyberpunk" selbst geht auf die gleichnamige Kurzgeschichte von Bruce Bethke aus dem Jahr 1983 zurück. Bethke erklärte später, dass er mehrere Wörter nebeneinander legte, auf der einen Seite waren es Wörter, die für die Technologie standen, auf der anderen Seite Wörter, die für Troublemaker standen.
Dabei waren es vor allem die Wörter "Cyber" und "Punk", die am besten das beschrieben was er ausdrücken wollte, eine hoch technlogisierte Welt, in der dennoch häufig das Lebensgefühl, Selbstverständnis und die Attitüde des Punk allgegenwärtig waren.

Bethke sagte dazu:
"The kids who trashed my computer; their kids were going to be Holy Terrors, combining the ethical vacuity of teenagers with a technical fluency we adults could only guess at. Further, the parents and other adult authority figures of the early 21st Century were going to be terribly ill-equipped to deal with the first generation of teenagers who grew up truly “speaking computer."

Molly und Case - Helden in Gibson's Neuromancer
Seine Protagonisten waren also bereits die Personen, die man heutzutage als die sog. "Digital natives" beschreibt, also jene Personen, die nie etwas anderes kannten, als mit Computern und dem Internet aufzuwachsen. Gleichzeitig waren es aber auch Personen aus der Punk-Kultur, die die herrschende Gesellschaftsanordnung anzweifelten und angriffen.

Und auch wenn die Protagonisten vieler späterer Cyberpunk-Geschichten nicht mehr zwangsläufig aus der Punk-Subkultur stammten, war es dennoch die nihilistische und pessimistische Sicht des Punk auf die Welt und die Zukunft, die das Bild und die Welt des Cyberpunk prägte - Diese Kombination aus einer hoch entwickelten Welt, die aber dennoch keine Verbesserung für den Großteil der Menschen brachte.

Artstyle von Blade Runner
Die beiden am meisten wegweisenden Werke des Cyberpunk waren dann der 1982er Ridley Scott Film "Blade Runner", sowie William Gibson's 1984 erschienener Debütroman "Neuromancer".
Ridley Scott's Werk definiert dabei bis heute mehr, oder weniger, den Look des Cyberpunk und William Gibson's Roman definierte schließlich das Genre endgültig inhaltlich.

Der Look ist dabei meist definiert von großen Städten, die über und über voll sind mit Neonlichtern- und Reklame, dabei aber gleichzeitig dennoch in den meisten Fällen nicht sauber, sondern vor allem unten in den Straßen dreckig und kaputt sind.

Kaneda aus Akira
Wichtige Themen des Genres sind häufig die Fragen nach der Existenz und was genau ein Leben als Leben definiert. Auch die Frage danach wer man ist, oder was real ist, ist oft Thema. Ebenfalls die allgegenwärtige Technologie und die Abhängigkeit des Menschen davon sind ein elementarer Punkt des Cyberpunk. So gehören technische Implantate, Veränderungen am Körper, künstliche Menschen, sowie Künstliche Intelligenzen in vielen Werken des Genres zur Normalität der jeweiligen Welt.
Diese Welt ist dabei auch so gut wie nie eine Hochglanzzukunft in der der Mensch durch seinen Fortschritt diese zu einem besseren Ort gemacht hätte, sondern ganz im Gegenteil ist dort häufig die Umwelt zerstört und die Macht liegt in den Händen weniger multinationaler Konzerne, während die Regierungen der Welt nur noch auf dem Papier tatsächliche Macht haben.
Die Erzählstruktur und Atmosphäre ist dabei dem Film Noir, sowie auch dem Hard Boiled Genre sehr ähnlich.
Spider Jerusalem aus Transmetropolitan
Die Protagonisten sind dabei sehr oft, wenn auch nicht immer, in gewisser Weise gesellschaftliche Außenseiter, oder sofern zuvor nicht gewesen, werden sie es während der Geschichte, oder die Ereignisse lassen sie sich mit diesen solidarisieren. Ebenfalls nicht selten werden die Protagonisten auch von anderen manipuliert.
In vielen Fällen haben die Geschichten kein klassisches Happy End, sondern, auch wenn sich die Umstände für den Protagonisten verbessert haben mögen, befindet die Welt am Ende weiterhin in ihrem gleichen trostlosem Zustand.

Neo aus Matrix
Die größte Zeit des Genres war ca. von 1984 - 1995, danach begann die Popularität langsam zu schwinden. Dadurch, dass es jedoch einen großen Einfluss auf das Sci-Fi Genre allgemein hatte, ist Cyberpunk jedoch auch nie komplett verschwunden, sondern Teilaspekte davon haben Einzug in andere Sci-Fi Werke gehalten.
Und vor allem in den letzten Jahren erlebt das Genre sogar wieder so etwas wie ein kleines Revival. 

Abschließend noch ein paar der wichtigsten Werke des Genres. Die Liste ist sehr unvollständig und ich habe versucht wirklich nur die mMn wichtigsten aufzuzählen.

Romane:
Cyberpunk - Bruce Bethke (1983)
Die Neuromancer Trilogie - Willliam Gibson (1984 - 1988)
Die Ware Tetralogie - Rudy Rucker (1982 - 2000)
Schismatrix - Bruce Sterling (1985)
Die Eclipse Trilogie - John Shirley (1985 - 1990)
Hardwired - Walter Jon Williams (1986)
Mindplayers - Pat Cadigan (1987)
Snow Crash - Neal Stephenson (1992)
Die Idoru Trilogie (Bridge Trilogy) - William Gibson (1993 - 1999)
Noir - K. W. Jeter (1998)
Das Unsterblichskeitsprogamm (Altered Carbon) - Richard Morgan (2002)

Comic und Manga:
Akira - Katsuhiro Otomo (1982 - 1990)
Ronin - Frank Miller (1983 - 1984)
Appleseed - Masamune Shirow (1985 - 1989)
Ghost in the Shell - Masamune Shirow (1989 - 1990)
Battle Angel Alita - Yukito Kishiro (1990 - 1995)
Barb Wire - Diverse Autoren (1994 - 1995)
Transmetropolitan - Warren Ellis (1997 - 2002)
Eden: It's an endless World! - Hiroki Endo (1998 - 2008)
Blame! - Tsutomu Nihei (1998 - 2003)
The Surrogates - Robert Venditti (2005 - 2006)
Waisen - Emiliano Mammucari (2013 - )

Realfilme:
Die Klapperschlange - John Carpenter (1981)
Blade Runner - Ridley Scott (1982)
RoboCop - Paul Verhoeven (1987)
Total Recall - Paul Verhoeven (1990)
Demolition Man - Marco Brambilla (1993)
Johnny Mnemonic - Robert Longo (1995)
Hackers - Iain Softley (1995)
Das fünfte Element - Luc Besson (1997)
Die Matrix Trilogie - Wachowskis (1999 - 2003)
Minority Report - Steven Spielberg (2002)
A Scanner Darkly - Richard Linklater (2006)
Tokyo Gore Police - Yoshihiro Nishimura (2008)
Ghost in the Shell - Rupert Sanders (2017)
Blade Runner 2049 - Denis Villeneuve (2017)

Animationsfilme- und Serien:
Megazone 23 - Noboru Ishiguro (1985)
Bubblegum Crisis - Katsuhito Akiyama (1987 - 1992)
Akira - Katsuhiro Otomo (1988)
Silent Möbius - Kia Asamiya (1991 - 1992)
Armitage III - Hiroyuki Ochi (1995)
Ghost in the Shell - Mamoru Oshii (1995)
Serial Experiments Lain - Ryutaro Nakamura (1998)
Metropolis - Rintaro (2001)
Heat Guy J - Kazuki Akane (2002 - 2003)
Ghost in the Shell: SAC - Kenji Kamiyama (2002 - 2005)
Ergo Proxy - Shuko Murase (2006)

Serien:
Max Headroom - Diverse (1985 - 1988)
Dark Angel - Diverse (2000 - 2002)
Altered Carbon - Diverse (2018 - )

Videospiele:
Neuromancer - Brian Fargo (1988)
Snatcher - Hideo Kojima (1988)
Flashback - Paul Cuisset (1992)
Shadowrun Reihe - Diverse (1993 - 2015)
Syndicate Reihe - Diverse (1993 - 2012)
Beneath a Steel Sky - Charles Cecil (1994)
System Shock Reihe - Diverse (1994 - 1999)
Blade Runner - Louis Castle (1997)
Deus Ex Reihe - Diverse (2000 - 2016)
Watch Dogs Reihe - Jonathan Morin (2014 - 2016)
Detroit: Become Human - David Cage (2018)
Cyberpunk 2077 - Adam Badowski (TBA)

Brettspiele:
Cyberpunk 2020 - Mike Pondsmith (1988)
Shadowrun - Diverse (1989)
GURPS Cyberpunk - Loyd Blankenship (1990)
Corporation - James Norbury (2009)

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