Sonntag, 20. Oktober 2019

Der Joker Film, der keiner ist


Es ist schon eine Weile her, dass ich eine Filmreview geschrieben hab, aber für diesen Film musste die einfach her.

Vorneweg, das Review ist nicht spoilerfrei, daher, wer den Film noch nicht gesehen hat und sich an Spoilern stört, sollte hier aufhören weiterzulesen.

Leto, Sie sind raus!
Als ein Joker Solo Film angekündigt wurde, war ich sehr skeptisch, primär da mich diese Fixierung des Mainstreams auf den Joker nervt. Als ob es keine anderen coolen Batman Gegenspieler gäbe, ständig und überall der Joker.
Noch dazu, eine Joker Originstory? Wie sinnlos, das tolle an der Figur ist ja, dass man eben nicht weiß, wer sie ist, dass sie und ihre Handlungen eben unberechenbar sind und keinen Sinn ergeben und es auch keine Erklärung dafür gibt, warum dieser Typ jetzt so ist, wie er ist und wo er herkommt.

In den Comics gibt es so viele sich widersprechende Origins des Jokers und selbst die bekannteste aus Alan Moore's "The Killing Joke" spielt damit, dass es alles nur Quatsch ist, was der Joker hier erzählte. Weswegen es hier eben auch funktioniert, dass man eine tragische Hintergrundgeschichte hat, weil man sich fragt, ob es so überhaupt wirklich passiert ist.

Denn letztendlich ist der Joker einfach nur ein kranker Typ, mit dem man kein Mitleid, oder Sympathie haben will, oder soll.

Und schon wieder ein neuer Joker? Der Jared Leto Joker ist plötzlich also einfach so ad acta gelegt?

Aber was mich im Vorfeld am meisten gestört hat, waren die Aussagen des Regisseurs Todd Phillips, dass man sich nicht an den Comics orientiert habe und der Film nichts damit zu tun hätte.
Wieso also heißt er dann Joker, wenn er mit der Figur nichts zu tun hat?

Todd Phillips
Aber, ich denke, es war das beste was dem Film passieren konnte, dass er eben
eigentlich gar kein Joker Film ist. Denn auch wenn ich es immer noch sinnlos finde, ihn dann so zu nennen, so hat der Film die nötigen Freiheiten seine ganz eigene Geschichte über einen Typen zu erzählen, der einfach ein scheiß Leben hat und der deswegen irgendwann an dem Punkt ankommt, wo er nicht mehr anders weiter weiß, als sich mit Gewalt zur Wehr zu setzen.

So gesehen, ist der Film zwar kein Joker Film, aber er erfüllt die Aussage aus Alan Moore's Killing Joke "All it takes is one bad day to reduce the sanest man alive to lunacy. That's how far the world is from where I am. Just one bad day."

Wobei Arthur Fleck, so der Name der Hauptfigur, doch etwas mehr als nur einen Tag braucht, bis er da ankommt, wo er am Ende ist und er wird auch nicht wirklich wahnsinnig in dem Sinn, sondern es ist einfach das einzige, wie er sich noch zu helfen weiß.
Wobei, hier könnte man auch wieder damit ankommen, dass der Joker in einer anderen Beschreibung ja als "Super Sane" beschrieben wird und er gerade deswegen so ist, wie er ist, weil er als einziger die Gestörtheit der Welt durchblickt.
Vielleicht hat Todd Phillips ja doch mehr aus den Comics übernommen, als er zugeben wollte?

Travis Bickle
Auf jeden Fall verglich er seinen Film mit Taxi Driver von Martin Scorsese aus dem Jahr 1976 und ich kann ihm da uneingeschränkt Recht geben. Sowohl das Umfeld, die Bilder, als auch die Wandlung des Protagonisten zeigen starke Parallelen. Wobei Travis Bickle aus Taxi Driver natürlich nie den krassen Weg geht, den letztendlich Arthur Fleck beschreitet.
(Travis Bickle wurde von Robert De Niro gespielt, der auch in Joker eine wichtige Rolle hat, später noch kurz mehr dazu).

Die Kaputtheit von Arthur Fleck wird dabei im Film sehr gut dargestellt. Was auch stark der Wahnsinnsleistung von Joaquin Phoenix zu verdanken ist.
Einerseits führt er ein sehr armseeliges Leben als Clowndarsteller, der gerne ein erfolgreicher Comedian wäre, gleichzeitig leidet er sein ganzes Leben an seiner psychischen Verfassung und hat z.B. das Problem, dass er, wenn er unter Stress steht, unkontrolliert lachen muss, was ihm immer wieder Probleme im öffentlichen Leben bereitet.
Als dann noch weitere Schicksalsschläge hinzukommen, wie dass er seine Arbeit verliert, die Therapiesitzungen aus Kostengründen eingestellt werden und er somit keine Medikamente mehr erhält und er letztendlich noch erfahren muss, dass er nur adoptiert ist und seine Adoptivmutter es zuließ, dass er als Kind misshandelt wurde, ist er endgültig an einem Punkt angekommen, wo ihm alles egal wird.

Arthur Fleck
Der Weg von dorthin ist sehr gut aufgezeichnet, vor allem am Anfang. Aber speziell zum Schluss raus gehen mir manche Dinge dann doch zu schnell. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass Arthur dann keine Medikamente mehr hat. Zumindest er selber sagt ja, kurz bevor er seinen Ex-Arbeitskollegen umbringt, dass es ihm besser gehe, seit er diese nicht mehr nehme.
Aber hier finde ich, dass der Film, der mit 122 Minuten schon Überlänge hat, sich noch etwas mehr Zeit hätte nehmen können.

Gut fand ich im übrigen auch, dass, obwohl ich Anfangs noch Mitleid mit Arthur hatte, er schon auch als Creep dargestellt wird, wenn er z.B. seine Nachbarin stalkt, oder dem kleinen Bruce Wayne einfach die Finger in den Mund steckt, so dass man ihn zum Schluß keinesfalls als Antihelden wahrnimmt.

Und, obwohl ich die ganze Zeit sagte, der Film sei kein Joker Film, so muss ich gestehen, dass speziell der Schluss, wenn der Joker in der Talkshow von Murray Franklin ist, das mit eine der besten Joker Darstellungen ist, die ich bisher gesehen habe und die auch eine eindeutige Hommage an Frank Miller's "The Dark Knight Returns" ist.
(Achja weil ich ja vorhin Robert De Niro erwähnte, dieser spielt ja Murray Franklin, von dem Arthur Fleck speziell am Anfang besessen ist.
Und auch hier hat sich Todd Phillips bei Martin Scorsese bedient und zwar bei dessen Film "The King of Comedy" aus dem Jahr 1983, wo es Robert De Niro ist, der einen Comedian spielt, der von einem Talkshow Master, gespielt von Jerry Lewis, besessen ist.)

Was soll ich sagen? Ein Hammerfilm, der in gewisser Weise aufzeigt, wie die Gesellschaft einen Menschen so sehr brechen kann, dass er irgendwann keine andere Wahl mehr sieht, als sich zu wehren.
Die Befürchtung ist natürlich da, dass speziell die Incels sich von dem Film angesprochen fühlen und in Arthur Fleck eine Art Held sehen. Aber das ist etwas, was man dem Film nicht anlasten kann und würde das Problem nur wieder auf etwas verlagern, was nicht ursächlich dafür ist.

Bitte einen Oscar für Herrn Phoenix!
Der Joker Film, ist wie gesagt keiner, aber gerade deswegen wahrscheinlich so gut. Den Film kann sich auch jeder anschauen, der absolut 0 Ahnung von den DC Comics hat. Und Leute, die die Comics kennen, finden paar nette Anspielungen, die es aber nicht gebraucht hätte.
Der Film hätte auch "Clown", oder "Trickster" heißen können und wäre genau so gut geworden!

Der Vergleich zu anderen Jokers? Absoluter Quatsch, dieser Joker ist so sein eigenes Ding, dass er sich gar nicht mit den anderen Jokern vergleichen muss, oder gar kann.
Und wenn würde eh wieder Hamill gewinnen ;)

Wer mehr über den Joker lesen will, hier paar weitere Artikel, die ich dazu mal geschrieben hab:

* The Clownprince of Crime - Die Geschichte des Jokers
* "Batman: The Killing Joke" der Film, oder auch "Wieso muss man Schwachsinn zu einer super Story hinzudichten?"
* Die beste Darstellung des Clownprince of Crime

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